Ein Audio Walk des P-Seminars „Stolpersteine“ in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27. Januar 2024, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde der Audio-Walk „Hören. Stolpern. Erinnern“ am Riemenschneider-Gymnasium vorgestellt.  Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Riemenschneider-Gymnasiums hat sich mit den Schicksalen verschiedener Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Einige Stolpersteine, die sich in der Nähe des Gymnasiums befinden, bilden den Rahmen für das Projekt. Entstanden ist ein Audio Walk, der versucht, die Schicksale der vorwiegend jüdischen Menschen in der damaligen Zeit nachzuzeichnen.

Unabhängig von der Eröffnung am 27.01.2024 kann der Audio Walk jederzeit gegangen werden. Am Haupteingang des Gymnasiums befindet sich ein Plakat mit Informationen hierzu.

Eine ausführliche Rezension lesen Sie hier:

Es ist Samstag, der 27. Januar 2024, das Wetter vorfrühlingshaft sonnig, kaum eine Wolke steht am blauen Himmel. Ein Spaziergang in den Südlagen der Steinweinberge steht auf dem Plan.

Es ist Samstag, der 27. Januar 2024, der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“, der Tag der Befreiung der Opfer des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee 1945. Von 1940 bis 1945 sterben mindestens 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz, die meisten davon Juden, die systematisch mit Giftgas ermordet wurden. Unter den Opfern sind auch politisch Verfolgte, Roma und Sinti, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Euthanasie-Opfer. Bundesweit und international wird dieser Tag mit z.B. Gedenkstunden, Ausstellungen und Lesungen, Kranzniederlegungen an Gedenkstätten und Mahnmalen begangen.

Wir aber folgen der Einladung der P-Seminarschülerinnen und Schüler zu einer besonderen Art und Weise des Erinnerns und Gedenkens und finden uns auf einem Audiowalk wieder, der so gar nichts mehr zu tun hat mit einem unbeschwerten Ausflug in die sonnenverwöhnten Weinberge.

Quasi auf Knopfdruck werden wir in das Würzburg während des NS-Regimes katapultiert und lassen uns entlang einer Stolpersteinroute durch die Straßen rund um das RIG leiten.

Wir hören geschichtliche Fakten, Biografien der Opfer, bleiben vor den mit Messingschildern beschlagenen Steinen stehen, lesen nochmal in Ruhe die Namen, Geburtsdaten, Deportationsjahre. Wir hören die Geschichten von Plätzen, Straßen, Häusern.

Wir dürfen uns Zeit lassen, können innehalten und die grauenvollen Bilder der Verbrechen des Nationalsozialismus nehmen ganz von allein in unseren Köpfen Gestalt an.

Wir sind in der Gruppe gestartet und jetzt ist jeder einzelne von uns in Gedanken vertieft, mit Erinnerungen beschäftigt und hadert ein wiederholtes Mal damit, irgendwie auch nur ansatzweise zu verstehen. Beinahe fühlt es sich an, als müsste die immer wieder eingespielte dezente Musik uns unter die Arme greifen, uns weitertragen und ein bisschen trösten.

Die Stimmen im Ohr schaffen es, uns einiges abzuverlangen: Stell dir vor, du…! Wie fühlst du dich…? Was machst du gegen…? Kennst du eine/einen, die/der…? Eine Treppe führt uns dann nach unten, es ist schon kälter geworden, die Sonne ist beim Untergehen.

Passanten beobachten neugierig und skeptisch, was es hier wohl zu sehen und hören gibt. Es stört uns nicht, wir nehmen sie kaum wahr. Wir hören noch immer aufmerksam zu, gedenken und erinnern und finden uns auf einem Gitter eines Belüftungsschachtes wieder. Es wird ungemütlich. Stickige warme Abluft strömt von unten hoch und schon wieder dieses auffordernde – Stell dir vor…!

Das Nachdenken über das Schicksal der Deportierten ist jetzt physisch spürbar und tut weh. Schon wieder ist da ein Bild im Kopf von vor allem Alten, Frauen und Kindern, die in den Gaskammern qualvoll ersticken.

So schmerzhaft Erinnern sein kann, den Opfern des Holocaust gebührt jegliche Form des Gedenkens, um die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Den P-Seminarschülerinnen und -schülern ist es rundum gelungen, hierfür das Medium Audiowalk mit all seinen Facetten anzuwenden. Sie haben auf diese Weise eine Form der Erinnerungskultur gewählt, die einen persönlich vereinnahmt hat und wesentlich näherkommen ist, als z.B., wenn man sich in der Rolle des passiven Zuhörers vor großen Rednern wiederfindet.

Die Weganweisungen waren präzise, die Texte klar und sicher eingesprochen, die Musik nicht aufdringlich, das Konzept war in sich schlüssig mit genügend Freiraum, sich nach eigenem Rhythmus und Befinden, fortzubewegen.

Am Ende beteiligen sich viele verschiedene Stimmen am Aufruf, sich gegen Antisemitismus, Rassismus und jegliche Formen von Ausgrenzung und Hass einzusetzen, da wir gemeinsam für eine tolerante Gesellschaft einzutreten haben. Danke für diesen engagierten Beitrag zur Erinnerung an die deutsch-jüdische Geschichte!

Gudrun Balling